Reinigung des Barbarossaleuchters: Auf Augenhöhe mit dem Himmlischen Jerusalem
Fast zwei Wochen lang war das Oktogon des Aachener Doms eine offene Werkstatt. Mittendrin: die Restauratorinnen Verena Kühler und Anke Freund von der Atelier-Gemeinschaft „Beier, Freund und Kühler“ aus Köln. Sie hatten die Aufgabe, den Barbarossaleuchter zu reinigen und auf mögliche Schäden zu überprüfen. Zum ersten Mal seit 13 Jahren war der berühmte Radleuchter, der nach aktuellen Forschungen zwischen 1175 und 1180 von Kaiser Friedrich Barbarossa und seiner Gattin Beatrix gestiftet wurde, dreieinhalb Meter abgesenkt und auf Schaumstoffpolstern ganz vorsichtig „aufgebockt“ worden, damit er bei der Reinigung so standfest wie möglich bearbeitet werden konnte.
Mit aromafreiem Alkohol, Wattestäbchen, kratzfreien Tüchern und einem Spezial-Staubsauger rückten die beiden Expertinnen der Schmutzschicht aus Staub, Wachs, Ruß, Spinnweben und den Ausdünstungen unzähliger Menschen zu Leibe. Von Tag zu Tag wurden die Fortschritte sichtbarer: Aus der matten Oberfläche schälten sich langsam wieder die goldglänzenden Ornamente, Verzierungen und Inschriften heraus. Und es zeigte sich, dass der Leuchter, dessen Form das Himmlische Jerusalem symbolisiert, seit seiner Konservierung in den 1990er Jahren nach wie vor in einem ausgezeichneten Zustand ist.
Gefragte Interviewpartnerin
Hinter dem Stuhlkreis, der zum Schutz der „Werkstatt“ gezogen worden war, staunten die Besucherinnen und Besucher und machten fleißig Fotos. „Von Tag zu Tag wurden es mehr, das hat sich schnell herumgesprochen“, schmunzelt Kunsthistorikerin Dr. Birgitta Falk, die Leiterin der Aachener Domschatzkammer, die als Auftraggeberin der Reinigungsaktion eine gefragte Interviewpartnerin war. Auch Dombaumeister Dr. Jan Richarz musste mehrfach in die Mikrofone sprechen und berichten, wie es war, als er zusammen mit Schlossermeister Adi Radermacher (ebenfalls Dombauhütte) die Kette im Dachstuhl aus der Befestigung lösen und über einen Seilzug langsam ablassen musste.
Sowohl für den Dombaumeister als auch für Birgitta Falk war das eine Premiere. „Ich muss gestehen, dass ich in der Nacht davor nur schlecht geschlafen habe“, gesteht die Kunsthistorikerin. „Als der Leuchter unten war, war ich deutlich gelassener.“ Und so konnte sich die Leiterin der Domschatzkammer nach der anfänglichen Anspannung Zeit nehmen für zahlreiche Besuchergruppen. Da in Maastricht zeitgleich die Kunstmesse „TEFAF“ stattfand, waren zahlreiche renommierte Kunst- und Museumsexperten in der Nähe. Einige von ihnen nutzten die Gelegenheit zu einem Abstecher in den Dom, darunter Max Hollein, Direktor und Chief Executive Officer des Metropolitan Museums of Art in New York, und die „American Friends of the Louvre“, eine Gruppe von Mäzenen, die das Pariser Kunstmuseum unterstützen.
Auch Mitglieder der Goldschmiedeinnung Aachen, der Vorstand des Karlsverein-Dombauvereins und eine Abordnung der Dommusik Köln betrachteten den Barbarossaleuchter auf Augenhöhe. Schließlich ließen sich aus dieser Perspektive Details erkennen, die sonst nicht zu sehen sind. So zum Beispiel rätselhafte Miniaturen in Form dreier winziger Männerporträts. Einer der auf diese Weise verewigten Herren trägt eine Art „Kölschen Schnauzbart“ wie der Ex-Hoehner-Sänger Henning Krautmacher. Die Existenz dieser Köpfchen war bereits von Falks Vorgängerin Dr. Herta Lepie dokumentiert worden. Aber warum es sie gibt, ist unklar. „Es könnten Selbstporträts der an der Herstellung des Leuchters beteiligten Handwerker oder sogar Karikaturen ihrer Vorgesetzten sein“, mutmaßt Birgitta Falk. „Aber letztlich wissen wir es nicht. Das bleibt ein Geheimnis. So wie es nach wie vor viele Rätsel und Geheimnisse im Dom gibt!“